Das Museum Haus Konstruktiv freut sich, die erste Einzelausstellung von Athene Galiciadis (*1978 in Altstätten, lebt und arbeitet in Zürich) in einem Zürcher Museum zu präsentieren. Zu sehen sind grossformatige Gemälde, bemalte Skulpturen, Lichtobjekte und Strukturen temporärer Behausungen, die vor Ort in eine spannungsreiche Gesamtinstallation verwoben werden.
Athene Galiciadis’ künstlerische Sprache zeichnet sich durch ein distinktes, während der letzten 20 Jahre entwickeltes Farb- und Formenrepertoire aus: Abstrakt-geometrische Elemente, darunter Kreissegmente, Quadrate und Dreiecke, fügen sich in ihren Malereien repetitiv zu ornamentalen Mustern zusammen. Schicht für Schicht auf die Leinwand aufgetragen, zunächst in Acryl-, dann in Ölfarbe, kontrastieren mal pastellene, mal leuchtende Rosa-, Grün- und Gelbtöne mit Dunkelblau und Schwarz. Zusätzlich zu diesen malerischen Arbeiten bilden Skulpturen aus Keramik einen weiteren wichtigen Teil in Galiciadis’ multimedialem Schaffen, genauso wie installative Setzungen, die sie mit viel Gespür für die räumlichen Gegebenheiten der jeweiligen Ausstellungssituation entwickelt und umsetzt.
9.2.–7.5.2023
kuratiert von Sabine Schaschl, Evelyne Bucher, Eliza Lips
Für die Ausstellung im dritten Stock des Museum Haus Konstruktiv hat Galiciadis insgesamt vier temporäre architektonische Strukturen realisiert. Diese sind aus zusammengenähten Blachen und Schnüren gefertigt, die in den Kabinetten und daran gespiegelt in der Säulenhalle zu begehbaren zeltähnlichen Formationen aufgespannt sind. In diesen «Shelters» mit dem Titel Orientation drückt sich das langjährige Interesse der Künstlerin an unterschiedlichen menschlichen Behausungen aus, an deren skulpturaler Qualität und an der Frage, wie diese Behausungen an immer neuen Orten vorübergehende Ordnungen und Hierarchien schaffen. Inspiriert dazu wurde Galiciadis unter anderem von dem reich bebilderten Klassiker Shelter von Lloyd Kahn, Bob Easton und Joe Bacon (1973) und von der neueren historisch-ethnografischen Studie The Mushroom at the End of the World: On the Possibility of Life in Capitalist Ruins von Anna Löwenhaupt Tsing (2015). Besonders Tsings Beschreibungen von sogenannten «Mushroomcamps» in den Kiefernwäldern von Oregon in den USA, die vornehmlich von migrantischen Gemeinschaften zur Ernte des kostbaren Matsutake-Pilzes unter prekären Bedingungen temporär aufgebaut werden, haben bei der Künstlerin einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ohne auf die genannten Textquellen direkt zu verweisen, schwingen solche inhaltlichen Referenzen in den im Haus Konstruktiv präsentierten «Shelters» mit. Laut Galiciadis geht es ihr vor allem auch darum, wie mit einer einfachen formalen Setzung Raum eingenommen werden kann.
Die Szenerie aus türkisfarbenen Planen wird von einigen Lichtobjekten stimmungsvoll erhellt. Diese bestehen aus je einem Mobiltelefon mit eingeschalteter Taschenlampenfunktion und einer mit Wasser gefüllten und mit Acryl bemalten PET-Flasche, die so pinkfarben erleuchtet wird. Den simplen Lichtskulpturen liegt eine Beobachtung zugrunde, die Galiciadis während eines Urlaubs in der Toskana machte: Nach Sonnenuntergang hat sie Jugendliche am Strand gesehen, die sich anstatt um ein Feuer um eine beleuchtete PET-Flasche gruppiert haben. Anstelle eines Gitarrenspiels lauschten sie der Musik aus dem Handy. Als Bild und Zeugnis einer interessanten generationellen Verschiebung überträgt Galiciadis ihre Erinnerung subtil in den Ausstellungsraum.
Zum warmen Licht und den baulichen Werkstoffen kommen Malereien und Skulpturen hinzu, die im Museum kaleidoskopartig zu einem formal kalkulierten und farblich harmonischen Setting zusammenwachsen. 14 Gemälde aus der Serie Stillleben sind im Raum an den Wänden angebracht oder hängen vereinzelt von der Decke, und zwar so, dass sie an einigen Stellen die «Shelters» flankieren. Von den gemalten, ornamentalen Bildflächen geht eine erstaunliche Tiefenwirkung aus, die durch die Überlagerung verschiedener Musterungen und Farben erzeugt wird, so dass Hinter- und Vordergrund ineinander übergehen. In die Muster sind auch figürliche Motive eingewoben wie Katzen, Motten, Blumen und Gefässe. Als Einzelmotiv setzen sie poetisch-humorvolle Akzente, in ihrer Wiederholung werden sie selbst Teil des All-Over und erinnern so nicht zuletzt an Andy Warhols schrille Siebdrucke aus den 1960er-Jahren.
Gefässe tauchen in Galiciadis’ Ausstellung nicht nur auf der Leinwand auf, sondern sind als Empty Sculptures auch im Raum präsent. Bei diesen ebenfalls in Schichttechnik gefertigten Keramiken interessiert sich die Künstlerin für das Aufeinanderfügen und Verbinden des Rohmaterials, für das Auftragen von geometrischen Strukturen und deren Wirkung auf den Rundungen der Objekte – und für die Übertragung des Motivs zurück auf die zweidimensionale Leinwand. Die Muster können als Hommage an die Textilentwürfe russischer Konstruktivistinnen wie Warwara Stepanowa oder Ljubow Popowa gelesen werden. Als historische Referenz fungieren sie als weiterer Baustein im formal stringenten Schaffen von Athene Galiciadis, das auch Anknüpfungspunkte für gesellschaftlich Relevantes bietet.
Athene Galiciadis studierte Bildende Kunst an der Zürcher Hochschule der Künste (2003–2005) und an der École cantonale d'art de Lausanne (2006–2007). Sie kann auf einige Einzelausstellungen zurückblicken wie Spiraling Shifts im Nidwaldner Museum Winkelriedhaus in Stans (2019) und Sublunatic im sic! Raum für Kunst in Luzern (2013). Hinzu kommen zahlreiche Beteiligungen an Gruppenausstellungen, darunter im Aargauer Kunsthaus in Aarau (2021), im Atelier Hermann Haller in Zürich (2020) und im Kunst Raum Riehen (2016).
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