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Leon Polk Smith

Going Beyond Space

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Das Museum Haus Konstruktiv eröffnet das Ausstellungsjahr 2023 mit einer umfassenden Schau des US-amerikanischen Künstlers Leon Polk Smith (1906–1996). Die retrospektiv angelegte Ausstellung ist die erste institutionelle Einzelpräsentation dieses Künstlers in Europa seit rund 20 Jahren und die erste in einem Schweizer Museum überhaupt. Auf vier Stockwerken vereint sie Werke aus fast allen Schaffensphasen von Mitte der 1940er- bis in die späten 1980er-Jahre und präsentiert sie in weitgehend chronologischer Reihenfolge.

Leon Polk Smith zählt zu den wichtigsten Vertretern der geometrischen Abstraktion und zu den Mitbegründern der Hard-Edge-Malerei. Geboren und aufgewachsen in Chickasha – einer Stadt im damaligen «Indian Territory», das 1907 in den neu gegründeten Bundesstaat Oklahoma überging –, beginnt er in den 1930er-Jahren mit ersten Malereien und absolviert ein Studium in Pädagogik. Während mehrerer Studienaufenthalte in New York City ab 1936 und insbesondere mit der Übersiedlung in die Metropole im Jahr 1944 kommt Smith mit Kunstschaffenden und Werken der klassischen Moderne und mit den aktuellen Kunstströmungen in Kontakt. Zunächst ist es vor allem die Bildsprache von Piet Mondrian, die den jungen Künstler zur Schaffung orthogonaler Bildkompositionen in Primärfarben veranlasst. Bald schon führt Smith die Diagonale ein und beginnt zudem, nach einem Ausweg aus den als zu eng empfundenen Mondrianschen Gestaltungsprinzipien zu suchen. Über eine Sportartikelbroschüre, die Zeichnungen von Basket-, Tennis- und anderen Bällen beinhaltete, gelangt Smith zum runden Bildformat, auf das er nunmehr sowohl seine orthogonalen Kompositionen übertrug als auch weiche fliessende Linien integrierte.

9.2.–7.5.2023
kuratiert von Sabine Schaschl

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Leon Polk Smith, "Constellation Y", 1968. © 2023, ProLitteris, Zurich, Leon Polk Smith Foundation; Courtesy Lisson Gallery
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Leon Polk Smith, Constellation Up and Away, 1970. © 2023, ProLitteris, Zurich, Leon Polk Smith Foundation; Courtesy Lisson Gallery

Die in enger Zusammenarbeit mit der Leon Polk Smith Foundation in New York entstandene Ausstellung – mit wichtigen Leihgaben aus privaten wie öffentlichen Sammlungen aus dem In- und Ausland – erfährt ihren chronologischen Auftakt Wand an Wand mit Fritz Glarners Rockefeller Dining Room (1964/65) im 4. Stock. Glarner und Smith teilten ihr Interesse für Mondrian und kannten sich über gemeinsame Ausstellungstätigkeiten. Nebst frühen Werken mit Bezügen zu Mondrian aus den 1940er-Jahren beinhaltet die Werkauswahl für die Ausstellung verschiedene Tondi und Shaped Canvases aus den 1950er-Jahren, sowie Holzreliefs, Druckgrafiken und Collagen aus gerissenen farbigen Papieren aus den 1960er-Jahren und einen beidseitig bemalten Paravent von 1966. In den 1980er- und 1990er-Jahren entwickelte Smith seine Werke zu grossformatigen Bildkompositionen, die verstärkt auf seinem intensiv empfundenen Raumerlebnis – dank seiner Kindheit und Jugend in den Ebenen von Oklahoma – rekurrieren. In Titeln wie Prairie Moon (1988) oder Sunset Caribe (1983) finden diese Erfahrungen Widerhall. Im Museum Haus Konstruktiv werden diese und weitere Werke aus diesem Kontext im kleinen Ausstellungsraum im 3. Stock präsentiert.

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Leon Polk Smith, „Seven Involvements in One“ (A) „Correspondence Red White“, 1966. © 2023, ProLitteris, Zurich, Leon Polk Smith Foundation; Courtesy Lisson Gallery
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Leon Polk Smith, „Seven Involvements in One“ (A) „Correspondence Red White“, 1966. © 2023, ProLitteris, Zurich, Leon Polk Smith Foundation; Courtesy Lisson Gallery

Die Werkserien der Correspondences und der Constellations gelten als Highlights in Smiths Œuvre. Auf sie wird in der Ausstellung im Erdgeschoss und im 1. Stock ein besonderer Fokus gelegt. Ab 1960 entwickelt Smith mit den Correspondences zahlreiche Möglichkeiten, die eine einzelne gezogene Linie für die Bildgestaltung eröffnet. Er beschreibt den Prozess in einem Interview mit der Autorin und Künstlerin d’Arcy Hayman 1964 wie folgt:

Aus den Proportionen und dem Mass der Leinwand entsteht eine Form in meiner Vorstellung. Ich stehe auf und zeichne eine Linie über die Leinwand, die zwei Formen kreiert, eine auf jeder Seite der Linie. Während ich diese Linie zeichne, kommt es mir vor, als ob ich viele Meilen im Universum zurücklegen würde […]. Ich fühle die Spannung, die entsteht, und die Kräfte, die auf jeder Seite der Linie wirken. Oft stellt sich dabei eine Farbe ein, gewöhnlich die Farbe, die ich dann auswähle.

Jene in Form und Farbe in besonderer Weise korrespondierenden Malereien erfahren ab 1967 eine weitere Zuspitzung in den Constellations, von denen eine exemplarische Auswahl in der Ausstellung gezeigt wird. In den Constellations führt der Künstler die Erfahrungen aus der Correspondence-Reihe weiter und wendet sie nunmehr auf verschieden geformten, aus mehreren Einzelteilen zusammengesetzten Leinwänden an. Die mehrteiligen Werke können aus runden oder ovalen Bildträgern, aber auch aus Dreiecken, Quadraten und Rechtecken mit jeweils abgerundeten Ecken zusammengesetzt sein. Farben und Formen erstrecken sich in dieser Werkserie über die einzelnen Leinwände hinweg zu den benachbarten Leinwänden und bilden neue gemeinsame Formen und Räume aus.

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Ausstellungsansicht, Museum Haus Konstruktiv, 2023. Foto: Stefan Altenburger © 2023, ProLitteris, Zurich

Seine bislang erste museale Präsentation erfährt das Werk Constellation Twelve Circles von 1988, das Smith für Räumlichkeiten der Firma Ciba-Geigy (heute Novartis) in New Jersey geschaffen hat. Entwickelt aus einer gleichnamigen, in Öl auf Leinwand gemalten Constellation von 1969, wurde die spätere, vergrösserte Variante auf Paneelen aus Aluminium ausgeführt. In mehreren Skizzen und Zeichnungen hat Smith verschiedene Hängemöglichkeiten (vertikal, horizontal und 45°-Winkel) für diese Arbeit festgehalten. Im Museum Haus Konstruktiv wird das Werk erstmals in der 45°-Neigung gezeigt. Dieses aus sieben Bildteilen bestehende Werk ist in Violett, Rot, Blau und Orange gemalt, wobei sich verschiedene Kreise über die Ausstellungswand und über die einzelnen Bildformate hinweg bilden oder als Kreis im Kreis oder mit segmentierten Kreislinien angedeutet werden. Bildträger, Ausstellungswand und die gemalten Formen gehen eine einzigartige mit der Raumwahrnehmung spielende Symbiose ein.

Im Zusammenspiel der Ausstellungsexponate wird deutlich, wie abwechslungsreich das viele Jahrzehnte umfassende Œuvre dieses in Europa etwas in Vergessenheit geratenen Künstlers ist. Es zeichnet sich durch ein hohes Mass an Dynamik, Eleganz und Sinnlichkeit aus und lässt zudem immer eine tiefe Verbundenheit mit der Landschaft und der Kultur der Native Americans im zentralen Süden der USA erkennen. Leon Polk Smith sagte einst, dass er die Natur nie als etwas begriffen habe, das bei unserem Himmel endet, und dass er seine Bilder immer als «über die Erde hinausgehend» verstanden habe. Der Ausstellungstitel Going Beyond Space greift diesen Gedanken auf.

Smiths Werk wurde in zahlreichen Ausstellungen gewürdigt. Seine erste Einzelausstellung fand 1941 in der Uptown Gallery in New York City statt. In der Gruppenausstellung Post Mondrian Painters in der Sidney Janis Gallery in New York City wurde sein Werk unter anderem mit Josef Albers, Ilya Bolotowsky und Fritz Glarner gezeigt. Max Bill wählte ein Werk von Smith für die von ihm kuratierte Ausstellung konkrete kunst – 50 jahre entwicklung im Helmhaus Zürich im Jahr 1960 aus. Eine umfassende erste Retrospektive fand 1989 im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen am Rhein und im Musée de Grenoble statt. 1995 folgte eine Retrospektive im Brooklyn Museum. Posthum werden verschiedene Einzelausstellungen ausgerichtet, darunter Leon Polk Smith im Arithmeum, Universität Bonn im Jahr 2001, und Hiding in Plain Sight, Heard Museum, Phoenix, Arizona im Jahr 2021.

Begleitend zur Ausstellung erscheint im April 2023 ein Katalog bei Hatje Cantz (d/e) mit Textbeiträgen von Sabine Schaschl (Direktorin Museum Haus Konstruktiv), Brandon Taylor (emeritierter Professor für Kunstgeschichte an der University of Southampton, UK), Margit Weinberg Staber (Kunstpublizistin und erste Direktorin des Museum Haus Konstruktiv) und David M. Roche (Direktor am Heard Museum in Phoenix, Arizona) sowie zahlreichen Ausstellungsansichten.

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