HK 240528 0019

Olaf Holzapfel

Der Mantel – Zurich Art Prize 2024

Übersicht
Lesen
Kalender
Digital

Der jährlich vom Museum Haus Konstruktiv und der Zurich Insurance Company Ltd. vergebene Zurich Art Prize geht 2024 an Olaf Holzapfel (*1967 in Dresden, lebt und arbeitet in Berlin und Brandenburg). Er ist der 17. Gewinner der renommierten Auszeichnung. Der mit CHF 100'000 dotierte Preis setzt sich aus einem Budget von CHF 80'000 für die Produktion einer Einzelausstellung im Museum Haus Konstruktiv und einer Preissumme von CHF 20'000 zusammen.

30.5.–8.9.2024
kuratiert von Sabine Schaschl

Wegleitung
Olaf Holzapfel zur Ausstellung

Olaf Holzapfel befasst sich in seinem vielschichtigen Schaffen mit der Konzeption und Materialität von Räumen. Nachdem er in den Nullerjahren insbesondere Megalopolen und deren Verhältnis zum virtuellen Raum in den Blick nahm – er beobachtete eine Verwandtschaft zwischen Rastern städtebaulicher Strukturen und digitalen Rastern im Netz –, verlagerte sich sein Interesse zunehmend auf das Physisch-Materielle, auf die Natur und deren Ressourcen. Seither sucht Holzapfel nach Möglichkeiten, Dualitäten wie Stadt und Landschaft, Innen- und Aussenraum sowie virtuelle und reale Bildräume künstlerisch aufzulösen und sie als etwas Fliessendes zu beschreiben.

Das Fliessende und das Grenzüberschreitende sind Motive, die Holzapfel seit mehreren Jahren in seinen «Räumen des Übergangs» erforscht. Dabei handelt es sich um räumliche Konstruktionen, die weder offen noch geschlossen sind, sondern Gebilde dazwischen. Darunter finden sich temporäre Shelter und Zelte ebenso wie ausgeklügelte Fachwerkstrukturen oder sakralbauähnliche Rundkonstruktionen. Die Räume verfertigt Holzapfel mit natürlichen Materialien wie Pflanzenfasern, Reet, Heu, Weide, Stroh oder Holz, die er auf ausgedehnten Reisen quer durch Europa und weit über die Grenzen Europas hinaus gefunden und erkundet hat. Die intensive Beschäftigung mit Rohstoffen und den Regionen, in denen sie vorkommen, ist zentral in Holzapfels Arbeit. Die Beschaffenheit des Materials gibt jeweils vor, mit welchen Techniken ein Werk umgesetzt werden kann. Hierfür steht Holzapfel in einem engen interkulturellen Austausch mit anderen Künstler:innen und Handwerker:innen vor Ort. Im stetigen Dialog aller Beteiligten werden die Werke in einem gemeinsamen Bildfindungsprozess entwickelt und umgesetzt.

HK 240528 0008
Ausstellungsansicht, Museum Haus Konstruktiv, 2024. Foto: Stefan Altenburger.
HK 240530 0101 Web
Ausstellungsansicht, Museum Haus Konstruktiv, 2024. Foto: Stefan Altenburger.

Holzapfels Interesse an natürlichen Materialien, an vernakulären Techniken und an Übergangsräumen kommt in der Ausstellung Der Mantel im Museum Haus Konstruktiv deutlich zum Ausdruck. Im Erdgeschoss präsentiert der Künstler ein raumfüllendes Setting aus einer grossen Holzfachwerkstruktur, einer U-förmigen Raumskulptur aus gebundenem Schilf und Stroh sowie aus fünf am Boden liegenden Röhren aus geflochtener Weide. Alphabet, so der Titel der Fachwerkstruktur, hat Holzapfel gemeinsam mit Zimmerleuten aus dem Harz nach regionaler Bauweise entwickelt. Als tragende Struktur besteht ein Fachwerk unter anderem aus den Bauteilen Riegel, Schwelle, Strebe, Fuss- und Kopfband. Holzapfel arrangiert sie in Alphabet zu einem losen Gefüge, überführt damit die traditionelle Handwerkstechnik in die Gegenwartskunst und zeigt, wie Natur und Kultur, Tradition und Moderne einander bereichern.

Gegenüber der offen angelegten Holzstruktur befindet sich die halbgeschlossene Raumskulptur Der Mantel. Die Schutz bietende Umhüllung in U-Form wirkt intimer, insbesondere durch das Material Reet, das die Geräusche dämpft und die körperlich-sinnliche Erfahrung der Besucher:innen zu intensivieren vermag.

HK 240528 0010 Web
Ausstellungsansicht, Museum Haus Konstruktiv, 2024. Foto: Stefan Altenburger

Im ersten Stock zeigt Olaf Holzapfel neuere Arbeiten aus den Werkgruppen der Stroh- und Heubilder. Auch hier sind fliessende Übergänge auszumachen, ein Changieren zwischen Bild und Objekt, zwischen Fläche und Raum. Während Holzapfel die Strohbilder mit selbst eingefärbten Strohhalmen in seinem Atelier herstellt – die Länge der Halme bestimmt die innerbildliche geometrische Komposition –, lässt er für seine dicht geflochtenen Heubilder bis zu acht Meter lange Schnüre aus getrockneten Grashalmen, Wildblumen und Kräutern nach einem mündlich überlieferten Verfahren von Bewohner:innen aus ländlichen Regionen drehen. Holzapfel nennt diese Arbeiten auch Lichtbilder, da Heu und Stroh in vielen agrarischen Kulturen wie im Alpenraum oder auch in Japan symbolisch für Licht und Sonne steht.

HK 240528 0019
Ausstellungsansicht, Museum Haus Konstruktiv, 2024. Foto: Stefan Altenburger.

Die Zurich Art Prize-Jury zeigte sich besonders begeistert von Olaf Holzapfels gekonntem Umgang mit unterschiedlichsten Medien und Räumen. Die in einer reichen Formensprache umgesetzten Arbeiten werfen substanzielle Fragen auf, beispielsweise zu Produktionsmechanismen oder zum Verhältnis von Kultur und Natur, ohne dabei an poetischer Leichtigkeit einzubüssen. Die über mehrere Jahre entwickelten Werkgruppen bestechen durch eine Kontinuität, die der Schnelllebigkeit unserer Zeit auf berückende Weise widersteht.

Olaf Holzapfel begann zunächst ein Architekturstudium, bevor er von 1996 bis 2001 Malerei an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden studierte. Von 2001 bis 2003 war er Meisterschüler bei Ralf Kerbach. 2001 erhielt er das Hegenbarth Stipendium, und noch im selben Jahr reiste er nach Indien für einen mehrmonatigen Studienaufenthalt am National Institute of Design (NID) bei Singanapalli Balaram in Ahmedabad. 2002 folgte ein Aufenthalt als Artist in Residence an der Columbia University in New York. 2014 wurde er mit dem Gerhard-Altenbourg-Preis ausgezeichnet.
Holzapfel kann auf zahlreiche internationale Einzel- und Gruppenausstellungen zurückblicken. Solopräsentationen hatte er unter anderem 2021 im Museo de Arte Contemporáneo in Salta, Argentinien, sowie im Bündner Kunstmuseum in Chur, 2019 im Museo Nacional de Arte Decorativo in Buenos Aires, 2018 im Skulpturenpark Kloster Schönthal, Langenbruck, und 2015 in Israel im Museum of Art, En Charod. Permanente Installationen sind an öffentlichen Orten zu besichtigen, etwa Harfen (2022) auf der Nassfeldalm Bad Gastein, Der Geflochtene Garten (2022) im Museum Europäischer Kulturen MEK Berlin Dahlem oder Arena (2020) in «Parzelle 3» des Kunsthauses Dresden und Drei Häuser (2018) vor der Kunsthalle Mannheim. Holzapfel war zudem 2017 auf der documenta 14 und 2011 auf der 54. Biennale di Venezia mit Arbeiten vertreten.

Der Zurich Art Prize ist ein Kulturengagement der Zurich Insurance Company Ltd.

Museum Haus Konstruktiv wird unterstützt von seinen Gönnern, Mitgliedern und

Logos Patronatspartner 3840x328px