Andreas Christen

Eine präzise und minimalistische Arbeitsweise lässt sich sowohl in den Kunstwerken als auch in den Designprodukten von Andreas Christen (1936, Bubendorf, CH – 2006, Zürich, CH) festmachen, obwohl er beide Tätigkeitsbereiche bedachtsam voneinander trennte. Nach einer Ausbildung als Schaufensterdekorateur wurde Christen in einer Versuchsklasse für Produktform an der Zürcher Kunstgewerbeschule ausgebildet. Wenig später, 1959, eröffnete er sein Büro als Industrial Designer. Kaum ein Haus kommt mittlerweile ohne seinen Normbriefkasten B74 aus. Für die hohe Qualität der Schweizer Produktgestaltung steht – neben anderen wichtigen Erzeugnissen von Andreas Christen – auch das schlicht gehaltene Aluminiummobiliar, das er für die Firma Lehni AG konzipierte.
Entwurf, Herstellungsprozess und ein sicheres Gespür für Materialästhetik sind in Christens Produktdesign und Kunst allgegenwärtig – auch wenn es in seinen künstlerischen Arbeiten nicht, wie im Design, um die Funktionalität eines Objektes im Raum geht, sondern um die Auslotung einer Raumempfindung mittels Lichteinwirkung. Das Gesamtwerk zeichnet sich durch die Anwendung eines von Reduktion und Klarheit geprägten Formenkanons und der Nicht-Farbe Weiss aus. Während die frühen Malereien Ende der 1950er-Jahre in traditionell-geometrischer Manier gehalten sind, liegt den «Monoforms» der 60er-Jahre eine ganz eigene Konzeption zugrunde. In den aus Polyester gegossenen weissen Reliefs heben sich Punkte ab, sodass Kanten und damit Teilflächen in der dritten Dimension generiert werden. In der späteren Werkphase vervielfältigen sich diese Elemente und Formen weiter und münden in komplexere Gebilde, wie die «Komplementär-Struktur» illustriert. Dem Künstler geht es hier – wie auch in anderen Arbeiten und Objekten – um die Hintertreibung der Farbe und Fläche. Er strebt eine Inversion der illusionistischen Raumtiefe an, die er mittels räumlicher Erhöhung konstruktiv gestaltet.
Auf den zueinander geneigten Bildflächen entstehen, bei natürlichem Lichteinfall, auf der rein weissen Oberfläche mannigfaltige Licht- und Schattenbewegungen, die Nuancen von Grau- und Weiss evozieren. Je nach Standpunkt des Betrachters führt dies zu einem unsteten visuellen Erlebnis und somit zur Prüfung der Verlässlichkeit von Wahrnehmung. Sowohl als Künstler wie auch als Designer wählte Andreas Christen, auf der Basis der rationalen Geometrie, ein konzeptionell geprägtes Vorgehen, das in seinen Kunstwerken mit dem ephemeren Phänomen Licht in Verbindung tritt.

Ursula Meier
Werke von Andreas Christen