Andrei Prolettski

Dank einer Schenkung der Hans und Wilma Stutz Stiftung, Herisau, verfügt das Museum Haus Konstruktiv seit 2015 über fünf Papierarbeiten von Andrei Prolettski (1963, Krasnojarsk, RU). Prolettski selbst hat dem Museum zudem ein Skizzenbuch übereignet.
Dieses kleine Konvolut von Werken eines zeitgenössischen Zeichners und Malers, der in Sibirien geboren ist und in seiner Heimatstadt die Surikov-Kunstschule besuchte, ist insbesondere im Hinblick auf ein zentrales Anliegen des Museum Haus Konstruktiv erhellend: im Hinblick auf die Frage, in welcher Weise das Erbe der konstruktiv-konkreten Kunst in der Gegenwartskunst weiterwirkt. Denn obschon Prolettski ein Suchender ist und ein Reisender – er hat Indien, Vietnam und Afrika bereist, in Deutschland, in der Schweiz und in Frankreich gelebt, er hat sich mit Pop und Minimal Art ebenso befasst wie mit der russischen Avantgarde – zeigt sich in seinem Schaffen eine verblüffende Nähe zu den russischen Pionieren der konstruktiven und konkreten Kunst. Diese Nähe erschöpft sich nicht im blossen Bekenntnis zur klaren Formensprache der Geometrie. Sie ergibt sich vielmehr aus der Aufladung konstruktivistischer Ordnungen mit einer symbolischen, universellen und also weit über die Kunst hinausreichenden Bedeutung. «Die ganze Kunst», so formuliert es der französische Kurator und Autor David Rosenberg, «besteht Prolettski zufolge darin, die Beziehung zwischen unserer Welt und anderen Parallelwelten oder auch zwischen unserer Dimension und anderen verwandten Dimensionen zu finden.» Der Künstler habe «ein deutliches Interesse für Esoterik und Okkultismus», er sei «durchdrungen von klassischer Kultur, begeistert von den alten Religionen, von der Kunst der Pyramiden, […] den Kathedralen, […] von der Alchemie und dem Freimaurertum». Die Idee einer geistigen Sphäre, einer verborgenen, in der Kunst Gestalt gewinnenden Wahrheit hinter den Dingen eint Prolettski beispielsweise mit Kasimir Malewitsch, dem Maler des berühmten «Schwarzen Quadrats».
Andrei Prolettskis Grossvater war Architekt, sein Vater Chemieingenieur. Die in seinen Bildern erkennbare Affinität zu modernistischer Industriearchitektur mag sich durchaus daher erklären, aber gewiss nicht nur: Zum einen bietet die – mal planimetrische, mal axonometrische – Darstellung nüchterner architektonischer Strukturen die Möglichkeit, eine (häufig auf Rasterpapier entworfene) geometrische Ordnung zum Spielfeld chromatischer Variationen zu machen. Zum anderen sind schwarz-weisse Arbeiten wie «Manhattan» oder «Operation Room» auf die Entstehung visueller Kippmomente angelegt (ähnlich jenen, die Josef Albers in seiner Werkgruppe der «Strukturalen Konstellationen» ab 1949 entwickelt hat). Die Zweidimensionalität der Bildfläche wird hier optisch durchbrochen, um Räumen jenseits unserer alltäglichen Seherfahrungen zu öffnen.
Andrei Prolettski war mit seinen Werken bereits in zahlreichen Gruppenausstellungen vertreten, u. a. in Brüssel, Moskau, New York und Zürich.

Britta Schröder
Werke von Andrei Prolettski