Werden die Fotorezeptoren in unserer Netzhaut durch Licht gereizt, etwa wenn wir direkt in die Sonne schauen, übersetzen sie diesen Reiz durch eine chemische Reaktion in elektrische Impulse: Es flimmert noch immer vor den Augen, und Lichtpunkte tanzen unter den geschlossenen Lidern. Dieser Effekt, auch «positives Nachbild» genannt, ist eigentlich eine optische Täuschung. Der Künstler Beat Huber (1956, Utzenstorf, CH) hat sich diesen Vorgang in seinen Werken der Serie «MEGA SCREEN» zunutze gemacht. Die Flüchtigkeit von Seherlebnissen ist ein Thema, mit dem er sich immer wieder auseinandersetzt.
Beat Huber studierte nach einer Ausbildung zum Möbelschreiner in der Fachklasse für Innenarchitektur an der Kunstgewerbeschule in Basel und lebte anschliessend vier Jahre lang in New York. Durch ein Arbeitsstipendium kam er 1992 nach Bratislava, eine Stadt, die sich im Wandel vom sowjetischen Kommunismus hin zur freien Marktwirtschaft befand. In dieser ihm grau erscheinenden Stadt poppten als Zeichen der neuen Zeit bunte Billboards auf, und auf den Röhrenbildschirmen flimmerte Werbung von Waren, die in den Läden gar nicht erhältlich waren.
Als Erweiterung der in Bratislava entstandenen Bildserie «MEGA SCREEN» produzierte der Künstler eine Edition von Kartonschachteln in denselben Farben und versehen mit jenen Kreisen, die wir auch auf den Malereien sehen. In den Schachteln finden sich jeweils ein Manual und zwei Tabletten-Blister, die allerdings leer sind. Das Manual enthält eine Anleitung, wie man durch eine Atemübung zu einer beruhigenden Imagination kommen kann. Beeinflusst ist diese Idee durch die buddhistische Schule des Zen, die in der Meditation nach Ruhe, aber auch nach Leere sucht. Der Zen-Buddhismus hinterfragt unsere Wahrnehmung der Welt, sieht unsere «Realität», das was wir als «wahr» betrachten, als reine Illusion – und sucht dahinter das Nichts oder die Leere.
Die Kombination von Beat Hubers «MEGA SCREENS» mit seiner Schachteledition spielt auf eine postkonsumistische Wirklichkeit an: Das Licht, die Sonne (seit Platon das Symbol des Wahren), die eigentlich unser Sehen ermöglicht, führt doch auch immer wieder zu einem imaginären mentalen Nachbild, das sich in Punkten oder Kreisen zeigt. Sie gaukeln uns noch Wahrnehmung vor, wenn die Lichtquelle als solche schon längst verschwunden ist. Ist das Bild selbst damit noch wahr, oder geben wir uns immer wieder von Neuem Illusionen hin? «Inspira. Espira», meint dazu Beat Huber.
Linda Christinger