Carissa Rodriguez (1970, New York, USA) kennt den Kunstmarkt aus zwei Perspektiven: Zum einen ist sie, als langjährige Kodirektorin der New Yorker Reena Spaulings Fine Art Gallery, eine intime Kennerin des Kunsthandels, zum anderen arbeitet sie selbst als Künstlerin. Nach ersten Ausstellungen in den 1990er-Jahren wandte sie sich zunächst verstärkt der Galeriearbeit zu, seit 2009 jedoch ist die Liste ihrer eigenen Präsentationen – u. a. in Mexiko, Zürich, Kanagawa (Japan), Rom und San Francisco – beträchtlich gewachsen. Rodriguez, die in New York Literatur studiert hat, beschrieb ihren «Quereinstieg» als Künstlerin 2012 mit den Worten: «Ein Teil von mir empfindet sich als Nicht-Künstlerin, die den Kunstbereich unerlaubt betritt und mit dem Problem der Zugehörigkeit umgehen muss […] Und so erlebe ich eine Rastlosigkeit, ähnlich der eines Migranten […]». Längst jedoch hat sie bewiesen, dass ihr ungewöhnlicher Zugang zur Kunst höchst produktiv ist: Rodriguez nutzt ihn für die Entwicklung konzeptueller Arbeiten, in denen häufig die Wertschöpfung des Kunstmarktes, der Austausch zwischen Künstler, Händler und Sammler thematisiert werden. Charakteristisch für ihre meist installativen Werke sind zudem deren technische Perfektion und das Spiel mit Oberflächen.
«Are You That Somebody (Black)» besteht aus einer Marmorplatte, in die – etwas abseits der Mitte und vom Plattenrand aus schwer zu erreichen – ein Goldring von Cartier eingelassen ist. Die Arbeit ist Resultat einer Kooperation mit einem Sammler, der mit Marmor handelt und die Künstlerin gebeten hatte, dieses Material in die Konzeption eines Werkes («Ancora tu», 2011) einzubeziehen. Der Ring in «Are You That Somebody (Black)» wurde – als Gegenleistung für Rodriguez’ Ausstellungszusage – von ihrer Galerie gesponsert. In der Installation werden Marmor und Ring ihrer üblichen Funktionen und Konnotationen entzogen, sodass die Ökonomie des Schenkens und die Materialien selbst in den Fokus rücken.
«Juste un clou» heisst eine von der Firma Cartier entwickelte Schmuckkollektion, die mit der Form handelsüblicher Stahlnägel spielt und sie in kostbares Material überführt. Die gleichnamige Arbeit von Carissa Rodriguez kehrt dieses Spiel um: in Gestalt eigens gegossener, luxuriös glänzender Bronzenägel.
Die Installation «WLACK BIDOW» (ein Wortspiel mit «Black Widow», Schwarze Witwe) greift, als Sound-Komposition, die heutigen Strategien der Vermarktung von Popmusik auf.
Die Wandarbeit «Orange Curve» (2015) gehört zu einer Serie von monochrom gefärbten Salzgüssen, deren Formgebung das Bildvokabular des US-amerikanischen Hard-Edge-Künstlers Ellsworth Kelly (1923–2015) aufgreift.
Britta Schröder