Man ist zunächst versucht, die geometrisch geprägte Malerei von Clare Goodwin (1973, Birmingham, UK) als Erbe der konkreten Kunst zu lesen. Tatsächlich hat sich die Britin, die ihre künstlerische Ausbildung 1998 am Royal College of Art in London abschloss, mit den Zürcher Konkreten befasst, als sie sich 2003 dauerhaft in Zürich niederliess. Dabei entdeckte sie allerdings hauptsächlich Unterschiede zu ihrem eigenen Ansatz: Anders als die Konkreten baut Goodwin ihre Bilder nicht auf mathematischen Prinzipien auf, vielmehr spielen bei ihr eine nostalgische Komponente und die gegenständliche Abstraktion eine wichtige Rolle. Die frühe Serie der «Kitchen Paintings» etwa war abgeleitet von Kücheninterieurs, wie sie im englischen Arbeitermilieu in Goodwins Kindertagen typisch waren. Eine wichtige Inspirationsquelle für ihre Bilder, deren lineare Raster oft durch Unregelmässigkeiten dynamisiert sind, waren zudem seit jeher gemusterte Flohmarktobjekte der 1970er- und 1980er-Jahre, welche die Künstlerin in ihrem Atelier ansammelt – Foulards, Krawatten, Tand. Diese Sammlerleidenschaft thematisiert Goodwin in einem fortlaufenden kuratorischen Projekt: «The Museum of the Unwanted» fand bis 2017 drei Mal statt und vereint jeweils Kunstschaffende, die ebenfalls eine Faszination für scheinbar wertlos gewordene Dinge hegen.
Clare Goodwin entwickelt ihre Gemälde in Serien mit jeweils unterschiedlichen Farb- und Kompositionskonzepten. Stets aber sind die Werke mit englischen Vornamen betitelt, was ihnen einen vermeintlichen Porträtcharakter verleiht und unterschiedliche Assoziationen anstösst. «Kirsty» aus der Sammlung des Museum Haus Konstruktiv gehört zur neuen Reihe der «Whispering Widows», welche die Künstlerin erstmals 2017 in der Galerie Lullin + Ferrari vorstellte. Wie so oft hatte sie die Gemälde nicht einfach in den Galerieraum gehängt, sondern in ein subtiles Environment eingebettet und zudem auch Beispiele ihrer skulpturalen Exkurse präsentiert. Die neuen Gemälde bestehen aus mehr oder weniger kompakt aneinandergefügten Farbstreifen, die einen Bildgrund aus frei zerflossener Tinte nur stellenweise erkennen lassen. Die meisten «Whispering Widows» sind in Pastelltönen gehalten, «Kirsty» zeigt sich mit seiner dunklen Farbgebung noch nahe an den vorangehenden «Curtain Paintings», in denen schwarz-graue, spitz zulaufende Flächen die Tinte überlagerten. Hier wie dort wird mit der Tintenlavierung ein nur bedingt kontrolliertes Element eingeführt und mit dem Serientitel auf heimliche, soziale Neugier angespielt – auf Vorhangspäher und Witwengetuschel.
Deborah Keller