Fritz Glarner (1899, Zürich, CH – 1972, Locarno, CH) war der Erfinder des «Relational Painting» – einer geometrisch angelegten Malerei, in der alle kompositorischen Elemente ebenso spannungsvoll wie harmonisch aufeinander abgestimmt sind.
Glarner lag weniger an Theorien als an der Empirie. Entscheidend für die Entwicklung seiner künstlerischen Sprache waren seine Jahre in Paris von 1923 bis 1935, wo er Anschluss an die künstlerische Avantgarde der Zeit fand. So trat er 1933 der Gruppe Abstraction-Création bei, mit deren Mitgliedern er mehrfach ausstellte. In abstrahierten Interieurdarstellungen und Stillleben setzte er sich mit den formalen Problemstellungen der europäischen Avantgarde auseinander, experimentierte mit einer reduzierten Farbskala und brachte Bildfläche und räumliche Dimensionen in Einklang. Unter dem entscheidenden Einfluss von Piet Mondrian näherte sich Glarner, nunmehr befreit von jeglicher Objektbezogenheit, sukzessive den reinen Bildmitteln an. Während das kompositorische Grundelement Mondrians das Quadrat war, unterteilte Glarner dieses ab den frühen 1940er-Jahren in zwei Rechtecke, die er wenig später wiederum mit einer Diagonale im 15-Grad-Winkel in zwei Teile gliederte, und dies sowohl in seinen Rechteck- als auch in seinen Rundbildern. Der Effekt ist eine Dynamisierung des Bildfeldes. Zusätzlich energetisieren fein differenzierte Graustufen die in Weiss und Schwarz eingebettete Farbtrias von Rot, Gelb und Blau, und die Kompositionen entwickeln ihre besondere Stärke durch die Schichtung grafischer Elemente zu einem Bildraum. Mit der Schräge, den Grauwerten und dem Tondo führte Glarner die formalen Grundsätze des Neoplastizismus einen Schritt über Mondrian hinaus. Im Tondo, der einen eigenen Typus des «Relational Painting» bildet, fand Glarner mit seiner autonomen, konstruktiv-konkreten Bildsprache zu einer seiner interessantesten künstlerischen Inventionen.
1936, nach einem einjährigen Aufenthalt in Zürich, emigrierte Glarner nach New York, unterhielt jedoch auch weiterhin intensiven Kontakt mit der Schweizer Kunstszene, insbesondere mit Max Bill, und vertrat 1964 und 1968 die Schweiz bei der Biennale von Venedig. In New York fertigte Glarner auch grossflächige Wandbilder, so 1958 in der Lobby des Time-Life-Building, 1961 in der Dag-Hammarskjöld-Bibliothek im UNO-Hauptsitz und 1963/1964 das Speisezimmer des New Yorker Stadt-Appartements von Nelson Rockefeller («Rockefeller Dining Room»). Diese Installation basiert auf dem Prinzip des «Relational Painting» und ist ein hervorragendes Beispiel und einmaliges Zeugnis konkreter Raumgestaltung.
Dominique von Burg