Heinz Gappmayr

Sprache war das Material, mit dem der Tiroler Künstler Heinz Gappmayr (1925, Innsbruck, AT – 2010, ebd.) arbeitete. Um die Grundbausteine unserer Sprache – Wörter und Buchstaben, aber auch Zahlen und Satzzeichen – in ihrer eigentlichen Beschaffenheit, d.h. als codierte grafische Formen wahrnehmbar zu machen, isolierte er sie aus ihrer üblichen Kon-Textualität und überführte sie in seinen Grafiken, Wandarbeiten und Installationen in eine visuell-syntaktische Ordnung. Diese Freistellung, Zergliederung und Variation einzelner Begriffe und Satzelemente folgt jedoch keineswegs nur rein ästhetischen Massgaben, sondern einem wohlüberlegten, philosophisch fundierten Konzept: Gappmayrs Werke sind darauf angelegt, uns als Betrachterinnen und Betrachtern eine neue, unvorbelastete Reflexion über den symbolischen Gehalt von Begriffen zu ermöglichen, die wir im Alltag ganz selbstverständlich verwenden, ohne uns noch bewusst zu machen, in welchem Verhältnis Signifikant und Signifikat, also das Bezeichnende und das Bezeichnete, zueinander stehen.
Als besonders interessant erweist sich diese Frage in Bezug auf Begriffe, die kein materielles, greifbares Objekt, sondern etwas Ungegenständliches bezeichnen. Und so kreist Gappmayrs umfangreiches Schaffen nicht zufällig um Begriffe wie «Wind», «Licht», «Zeit» oder «jetzt». In der Serigrafienmappe, die sich in der Sammlung des Museum Haus Konstruktiv befindet, werden u. a. die Adjektive «weiss» und «sichtbar» visuell durchdekliniert. Was sie umschreiben, erschliesst sich hier anhand von (Gedanken-)Bildern, die sich herantasten an eine ideelle Realität.
Seine in den frühen 1960er-Jahren begonnene und konsequent fortgesetzte Beschäftigung mit dem Verweischarakter der Sprache rückt Gappmayrs Untersuchungen in die Nähe von Strukturalismus und Semiotik. Kunstgeschichtlich wird sie zumeist der konkreten oder visuellen Poesie zugerechnet, was jedoch insofern zu kurz greift, als Gappmayr selbst das Wort «Poesie» als «atavistisch», als überholt, empfand. Eine Verwandtschaft zur konkreten Kunst ergibt sich aus seinem Bestreben, nicht-sichtbare Verhältnisse anschaulich zu machen – ein Thema, dem sich u. a. Max Bill intensiv gewidmet hat. Auch zur Konzeptkunst eines Lawrence Weiner oder Joseph Kosuth lassen sich diverse Brücken schlagen; letztlich aber war es die Eigenständigkeit seiner Position, die Gappmayr zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland bescherte und uns ein beträchtliches publizistisches Erbe zu seinen Werken hinterlässt.

Britta Schröder
Werke von Heinz Gappmayr