Ian Anüll (1948, Sempach, CH), der seit 1969 unter diesem Pseudonym auftritt, verzichtet in seiner Arbeit bewusst auf eine wiedererkennbare Handschrift, um einen in der Kunstwelt weit verbreiteten Personenkult und die Vorstellung vom genialen Künstler zu unterwandern. Er zeichnet, malt, fotografiert, filmt, gestaltet Objekte und Installationen. Dabei verwendet er Fundstücke aus der Welt des Konsums und der Massenmedien —, Zeichen und Symbole, die er durch ausgeklügelte Interventionen verfremdet und so ihre Bedeutung subtil transformiert. Die Kehrseiten unserer Produkt- und Markenkultur wie auch der damit einhergehenden Marktmechanismen und Machtstrukturen treiben Anüll schon lange um.
Mit Hochgenuss rekurriert er auf den Duchampschen Kunstgriff der Dekontextualisierung von Alltagsobjekten oder veranschaulicht den Benjaminschen Diskurs über das technisch reproduzierbare Kunstwerk, indem er unser Wertesystem irritiert, etwa Abfall in Kunstwerke verwandelt und somit das Wertlose um- und aufwertet.
Der Buchstabe R tritt in Anülls Schaffen leitmotivisch auf: Als Kürzel für «Registered Trade Mark», also die amtlich registrierte Warenmarke, steht er für Produktvermarktung und Konsumwelt. In seinen mit Labels versehenen Kunstwerken führt Anüll die Kunst als zweifelhafte Schnittstelle ideeller, gesellschaftlicher und monetärer Werte vor. Mit solchen Kunstgriffen und Kontextverschiebungen versteht es Ian Anüll, die Mechanismen des Kunstbetriebs blosszulegen. Wie auch immer der Künstler sich dazu verhält: Er ist Teil dieses Systems, in dem es darauf ankommt, mit einem Markenzeichen strategisch Position zu beziehen. Dies umso mehr, als er sich nicht als Künstlerindividuum in Szene setzen will. Ist es da nicht konsequent, just das universelle Trademark-® zum eigenen, geschützten «Warenzeichen» zu erklären und es in seinen Schneidezahn brennen zu lassen?
Anülls Strategie besteht darin, alles infrage zu stellen. Antworten gibt er nicht, Widersprüche bleiben bestehen. Damit reflektiert zugleich er die invasiv auftretenden Denkversionen. Wohl auch daher sind die Zusammenhänge in seinen Arbeiten zum Teil schwer zu dechiffrieren. Gleichwohl paart sich in Anülls Werk kritische Intelligenz mit poetischem Sinn, Witz und dem Zufälligen. So etwa, wenn die Installation «Take a Seat» zunächst als Einladung, Platz zu nehmen, daherkommt, beim zweiten Blick jedoch die Aufforderung beinhaltet, den mit dem Wandobjekt «A» kombinierten Hocker als künstlerisches Werk zu betrachten. Indem Anüll die Zeichen ihrem Kontext entfremdet, irritiert er ihre Bedeutung mit einer dadaistischen Attitüde, welche die Wechselwirkungen zwischen Kunst und Leben aufnimmt.
Dominique von Burg