James Turrell, dieser Meister des Lichts (1943, Los Angeles, USA) überwältigt das Publikum weltweit mit einzigartigen, magisch-mystischen Lichträumen: den «Dark Spaces» etwa, in denen es erst allmählich zur Wahrnehmung einer schwachen Lichtquelle kommt, oder den «Ganzfeld Pieces», in deren atmosphärischer Aufladung mit farbigem Licht dem Besucher jegliche Orientierung abhandenkommt. In einer streng gläubigen Quäkerfamilie aufgewachsen, ist Turrell seit seiner Kindheit mit den metaphysischen Bedeutungsdimensionen des Lichts vertraut. Von 1961 bis 1965 studierte er Psychologie und Mathematik, anschliessend absolvierte er ein Kunststudium. Dieser transdisziplinäre Zusammenschluss bildet die Grundlage für seine seit 1966 ununterbrochen fortgesetzte Erforschung von Licht, Raum und Zeit. Von 1966 bis 1974 mietete sich Turrell im ehemaligen «Mendota Hotel» in Ocean Park, Kalifornien, ein. Dort setzte er sich intensiv mit Lichtprojektionen («Cross Corner Projections», «Wedgework Series») auseinander; zudem entwarf er Lichträume, die erst aufgrund neuer Technologien (etwa im Bereich der LED-Leuchtmittel) Jahrzehnte später zur Ausführung kamen.
1974 gab Turrell sein Atelier auf und begab sich mit seinem Flugzeug auf die Suche nach dem idealen Ort für seine Vision eines dem Phänomen Licht/Raum/Zeit gewidmeten Gesamtkunstwerks. Er fand diesen im sogenannten «Roden Crater», einem erloschenen Vulkan am Rande der «Painted Desert» in der Nähe von Flagstaff in Nordarizona. Nach Baubeginn 1998 war die erste Bauetappe zwei Jahre darauf abgeschlossen; seitdem wird dieses Opus magnum des Künstlers etappenweise um die erst im Entwurf festgehaltenen Lichträume vervollständigt. Betreten wird das Innere des «Roden Crater» durch einen langen dunklen Tunnel, den «Alpha (East) Tunnel». Nach und nach durchwandert man einen um den anderen der durch Gänge miteinander verbundenen Lichträume (u.a. das «Sun | Moon Chamber»), um sich schlussendlich in der Caldera, der Mitte des Kraters, im «Crater’s Eye» direkt unter dem Himmelszelt zu befinden. Wissenschaft, Metaphysik und Kunst bilden in diesem Gesamtkunstwerk eine in sich untrennbar verwobene Ganzheit von hochgradig spiritueller Ausstrahlung. In der visionären Durchdringung von Kunst und Kosmologie ist der Ort «Roden Crater» weltweit einzigartig.
So nimmt denn auch die Jahresgabe, anlässlich der 2001/2002 gezeigten Turrell-Retrospektive im Museum Haus Konstruktiv herausgegeben, auf dieses Opus Bezug. Allerdings zeigt sie nicht die zu erwartende Aufnahme der künstlerischen Intervention; vielmehr bescheidet sie sich mit der Ansicht des Vulkans, wie man ihn aus der Ebene ragend aus der Ferne erblickt – ohne das Geheimnis seines überwältigenden Inneren zu erahnen.
Elisabeth Grossmann