Die amerikanische Künstlerin Jill Magid (1973, Bridgeport, Connecticut, USA) arbeitet mit Strategien der Appropriation, die sie mit visuellen, textuellen und performativen Komponenten durchsetzt. Sie erforscht die zum Teil spannungsgeladenen Beziehungen zwischen Individuen und Obrigkeiten. Indem sie authentische Dokumente in neue Narrative verpackt, enthüllt Magid die Absurdität unseres Verhältnisses zu Macht und Institutionen. So versuchte sie im Projekt «Evidence Locker» von 2004, die Überwachung der eigenen Person zu kontrollieren. Sie hielt sich einen Monat lang in Liverpool auf, wo sie mit der Polizeibehörde in Verbindung trat, die öffentliche Plätze mittels Videokameras observiert. Magid liess sich bewusst von Citywatch filmen, sei es beim Flanieren in der Fussgängerzone, in einer Einkaufsmeile oder Kaffee trinkend. Um das Videomaterial zu erhalten, waren 31 Anträge erforderlich, die sie als Liebesbriefe an die Polizei einreichte. «Evidence Locker» kann als künstlerische Demonstration der foucaultschen Erkenntnis verstanden werden, dass in den Machtnetzen überall Widerstandspunkte vorkommen.(1)
Nicht weniger verwickelt und hintergründig sind die beiden sich in der Sammlung des Museum Haus Konstruktiv befindenden gelben Buchobjekte. Sie beziehen sich auf Josef Albers’ Gemäldeserie «Homage to a Square» sowie auf die Hommage des verstorbenen mexikanischen Architekten Luis Barragán an Josef Albers. Barragán besass zwei unlizenzierte Reproduktionen von Albers’ Werken, die billige auf Stoff gedruckte Reproduktionen gewesen sein sollen. Dennoch hält sich ein hartnäckiges Gerücht, wonach Barragán zwei originale Ölgemälde von Josef Albers in seinem Haus zur Schau stellte und Fotografien, die eine dieser Reproduktionen im Wohnzimmer des Architekten abbildeten, sind zur Ikone geworden. In Bezug auf diese Anekdote schafft Magid ihre eigenen «Hommagen»: anhand akribischer Notizen, mit denen Albers auf den Rückseiten seiner Gemälde die von ihm benutzten Farben festhielt. Dabei thematisiert sie nicht etwa die hochaktuelle Problematik der Kunstfälschung, sondern stellt die Prinzipien von Autorschaft und Originalität infrage – zugunsten von Austausch und öffentlichem Zugang zu künstlerischen Vermächtnissen.
Dominique von Burg
(1) Vgl. Michel Foucault, Der Wille zum Wissen, in: Sexualität und Wahrheit, Bd. 1, Frankfurt a. M. 1983 [1976], S. 96