Josef Albers (1888, Bottrop, DE – 1976, New Haven/ Conn., USA) hatte selbst am Bauhaus studiert, bevor er dort – von 1923 bis zur Schliessung 1933 – als Lehrer in wechselnden Fächern (Werklehre, Glas- und Möbelwerkstatt) tätig war. 1933 wurde er aufgrund seiner kunstpädagogischen Erfahrungen an das neu gegründete, interdisziplinäre Black Mountain College in North Carolina, USA, berufen, dessen Kunstabteilung er bis 1949 leitete. 1950 bis 1958 stand er dem Department of Design der Yale University vor und dozierte auch späterhin auf Einladung an amerikanischen wie europäischen Institutionen.
Das eigentliche künstlerische und kunsttheoretische Hauptwerk von Josef Albers entstand in den USA. Untrennbar mit seinem Namen verbunden sind der um 1949 begonnene Werkzyklus «Homage to the Square» und die damit zusammenhängende Schrift «Interaction of Color» (1963). Albers habe sich auf genau zwei Themenschwerpunkte konzentriert, ist in der Literatur nachzulesen: In der Malerei auf die Farbe, in der Grafik auf die Linie. In beiden Bereichen zielte seine Intention darauf hin, den Betrachter vom «faktiven An-Sehen zu aktivem An-Schauen zu führen» und sich mithin auch Fragen der Wahrnehmungsphysiologie zu stellen. Die Diskrepanz zwischen der faktischen Ordnung («Factual Fact») und der optischen Wahrnehmung («Actual Fact») kommt in geradezu paradoxer Überspitzung in der zweiten, ebenfalls um 1949 aufgenommenen Werkserie «Structural Constellations» zum Ausdruck. Es handelt sich um geometrische Doppel- oder Mehrfachflächenfiguren, die so ineinander verzahnt sind, dass sie die Illusion eines Raums erzeugen, der allerdings den Gesetzen realer, physischer Dreidimensionalität entgegenläuft. Albers thematisiere in dieser Folge «eine Ebenen-Raum-Struktur, die fortwährend auf Lösung drängt und der fortwährend die Lösung verweigert wird», stellt Max Imdahl 1968 fest. Ab den 1960er Jahren übertrug Albers das Thema vermehrt auf die Druckgrafik, meist in Form von schwarzen, gravierten Kunststoffplatten (Resopal): Die weisse Linienkontur entsteht, indem die Gravur den weissen Plattengrund freigibt.
Mit seiner künstlerischen, kunsttheoretischen und -pädagogischen Tätigkeit hat Josef Albers nachhaltig auf die Entwicklung der Moderne in Europa und den USA eingewirkt. Seine Erforschung der Interaktivität hat sowohl die Farbfeldmalerei als auch die Op Art beeinflusst und bildet bis heute eine nicht wegzudenkende Basis für die künstlerische und kunsttheoretische Praxis.
Elisabeth Grossmann