Der Schweizer Maler, Zeichner und Plastiker Rudolf de Crignis (1948, Winterthur, CH – 2006, New York, USA) untersuchte unter dem Einfluss der konkreten Kunst, der Minimal Art und des Radical Painting intensiv die Wirkung und das Zusammenspiel von Licht, Farbe und Raum. Die Qualität seiner Werke erzeugt auf feinstoffliche Weise einen atmosphärischen Wert, der nicht auf einem theoretischen Konzept fusste, sondern einer inneren Vorstellung entsprang.
De Crignis sorgte vorerst in der Zürcher Kunstszene Mitte der 1970er-Jahre mit konzeptuellen und figurativen Ansätzen in den Medien Plastik, Fotografie und Installation für Aufsehen. Ende der 70er-Jahre wandte er sich der Malerei zu. Eine markante Zäsur in seiner künstlerischen Entwicklung bildete 1985 die Übersiedlung nach New York, wo er, angeregt durch amerikanische Künstler wie Robert Ryman, Mark Rothko und Ad Reinhardt, zu einer neuen Gestaltungsweise fand: Immer deutlicher dokumentierten seine nunmehr abstrakten Bildwerke eine Tendenz nicht nur zu kompositioneller Reduktion und Ordnung – etwa in Formationen aus Streifen, Bändern und in der Hinwendung zum Diptychon –, sondern auch in der Farbwahl. Seit Beginn der 1990er-Jahre nämlich konzentrierte sich de Crignis’ Werk auf Serien von monochromer Malerei. Gleichwohl lässt es sich nicht als konkrete, theoretisch untermauerte Kunst verorten, sondern als ein expressiv-meditativer Akt im Bereich nonfigurativer Malerei. Zudem bestechen seine Bilder durch einen komplexen Schichtungsprozess. In den quadratischen Bildformaten nimmt man ein Pulsieren von Ultramarinblau oder Schwarz wahr, erzielt durch die zahlreichen, lasierend aufgetragenen Farbebenen in diversen Nuancen. Effektvoll werden die Arbeiten über rein malerische Mittel zu Lichtträgern mit Tiefenwirkung.
Eine pointierte Reduktion zeigt sich ebenso in den Zeichnungen, deren Linien der Künstler mit einem Radiergummi auslöschte. Das Thema Raum ist auch ein integraler Bestandteil der installativen Anordnung der Serien. Rudolf de Crignis’ Œuvre führt vom Gegenständlichen ins Ungegenständliche. Sein malerisches Verfahren lädt den Betrachter zu einem freien und assoziativen Sehen ein.
Ursula Meier