Das konzeptuelle Werk von Saâdane Afif (1970, Vendôme, FR) ist interdisziplinär angelegt. Es verbindet bildende Kunst mit Texten, Musik und Performance. In Kollaborationen mit anderen Künstlern verwandelt Saâdane Afif eine Kunstform in eine andere. So lädt er für seine Ausstellungen oft Künstler, Dichter, Philosophen, Schauspieler, Musiker, Handwerker und Performer ein, seine Werke in Form von Gedichten oder Songtexten zu kommentieren. Als integraler Bestandteil seiner Ausstellungen sind diese Kommentare als Erweiterung der ausgestellten Objekte zu sehen. Charakteristisch für Afifs künstlerische Strategie ist «The Soapbox of Schiffbauplatz» insofern, als Afif andere Kulturschaffende aufforderte, einen poetischen Textbeitrag zu seinen Arbeiten zu verfassen. Aus ihren Eingaben formte er eine Textcollage, die eine Schauspielerin, auf einem Podest aus Bronze stehend, rezitierte. Die Texte sind so aufbereitet, dass sie auch von Komponisten vertont, aufgeführt oder zu Klangskulpturen transformiert werden können. Indem das Visuelle auf andere Sinnesebenen übertragen wird, erfährt es jeweils neue Interpretationen und Ausformungen. Im Projekt «The Fairytale Recordings» von 2011 ist ein solcher Kreislauf genuin vorgeführt: Es bezieht sich auf frühere Werke des Künstlers, zu denen, unter anderen, die Autoren und Künstler Tacita Dean, Tom Morton, Mick Peter und Lili Reynaud-Dewar Liedtexte beigesteuert haben, die das Wesen der Werke widerspiegeln. Von den Texten ausgehend, hat Afif mit der Opernsängerin Katharina Schrade eine Performance erarbeitet, in der alle Texte teils nachgesprochen, teils zu einer Inszenierung überarbeitet wurden. Dieser übertragene und verarbeitete Text wird schliesslich in eine weiss bemalte Porzellanvase gesprochen, die dann versiegelt wird, sodass die Verse für immer bewahrt bleiben.
Durch die Metamorphose von Kunst zu Literatur, Musik, Performances, Objekten und Poster macht Saâdane Afif die diversen Kräfte sichtbar, die an der Entstehung eines Werks teilhaben, und stellt die künstlerische Autorschaft sowie die Mechanismen des Kunstsystems bewusst heraus. Die meisten seiner Werke leben mithin von der subtilen Reflexion über Kultur, Zivilisation und den Moment der Veröffentlichung von Kunst.
Dominique von Burg