Sylvie Fleury (1961, Genf, CH) hat sich seit Beginn ihrer künstlerischen Arbeit vor allem mit Objekten und Installationen einen Namen gemacht, die den Markenfetischismus unserer westlichen, nach Luxusgütern und Glamour lechzenden Konsumwelt widerspiegeln. So präsentierte sie in ihrer ersten Ausstellung 1990 in der Galerie Rivolta in Lausanne die Beute einer ausgiebigen Einkaufstour, indem sie ein Ensemble aus zehn gefüllten «Shopping bags» mit originalverpackten Luxusartikeln der teuersten Marken scheinbar beiläufig in einer Ecke der Galerie auf dem Boden abstellte. Ob sie diese «Objets trouvés» zeigt, ein Paar High Heels von Gucci als verchromten Bronzeguss («Gucci Shoes», 1999) in Szene setzt, einen vergoldeten Einkaufswagen auf einem verspiegelten Podest («Le Caddy», 2000) glänzen lässt oder die Labels und Flakons teurer Parfummarken aufgreift: In Fleurys Arbeiten geht es weniger um eine dezidierte Konsumkritik als vielmehr um das Versprechen, das die Mode- und Kosmetikwelt trotz aller Flüchtigkeit zu geben scheint, um die Begehrlichkeiten, die sie weckt, und um unsere Verführbarkeit.
Die Überästhetisierung exklusiver Waren und ihr Transfer in die Kunstwelt lässt sich ebenso als Hommage wie als Persiflage auslegen. Und genau dieses Changieren zwischen Huldigung und humorvoller Dekonstruktion zeichnet auch jene Arbeiten Sylvie Fleurys aus, die sich unmittelbar auf Werke etablierter männlicher Künstler – insbesondere der Minimal Art, der Konzeptkunst und der konkret-konstruktiven Richtung – beziehen und deren ästhetisches Programm durch Kontextverschiebungen unterwandern. Piet Mondrians neoplastizistische Malerei etwa beantwortete sie mit Gemälden, die Aufbau und Farbgebung seiner Bilder übernehmen, einzelne Farbflächen jedoch durch Plüsch ersetzen. Bei der Vernissage zur grossen Sammlungsausstellung «Um die Ecke denken» im Museum Haus Konstruktiv 2016 liess die Künstlerin Frauen in Cocktailkleidern umhergehen, deren Design an die Mondrian-Kleider aus Yves Saint Laurents Herbstkollektion von 1965 erinnert. Auch ihre Werke in der Sammlung des Haus Konstruktiv zeugen von Fleurys Spiel mit der Ernsthaftigkeit männlich konnotierter Kunstkonzepte durch kleine Ergänzungen oder Modifikationen: Vertikale Streifen sind seit Jahrzehnten das Markenzeichen des französischen Künstlers Daniel Buren. Anlässlich der Ausstellung «Um die Ecke denken» hat Fleury die Wandmalerei «The Eternal Wow» mit dem Bild «Free Buren» zu einer ortsspezifischen Wandarbeit verbunden. Sie weitete die für Buren typischen Streifen so aus, dass der Anschein einer räumlichen Ausbuchtung entsteht – eine ironische Lesart seiner stets strikt definierten Werke.
Sylvie Fleury konnte ihre Objekte, Bilder, Installationen und Videos bereits in zahlreichen Ausstellungen präsentieren. Einzelausstellungen widmeten ihr u. a. das Museum Villa Stuck, München (2016), das Centro de Arte Contemporáneo de Málaga (2011), das Musée d’Art Contemporain de Genéve (2008) und die Kunsthalle Wien (2006). Fleury ist Trägerin des renommierten «Prix de la Société des Arts de Genève» (2015).
Britta Schröder