Wie viele Schweizer Abstrakte entwickelte Willy Müller (1938, Winterthur, CH – 2003, Oftringen, CH) sein Œuvre zu Beginn neben einer Erwerbsarbeit im Grafikbereich. Angeregt durch die Kunstszenen in Paris und New York fand er um 1960 zur Collage, die er, mit Anklängen an Henri Matisse, Hans Arp, aber auch Ellsworth Kelly, zunächst in tachistischer Manier, dann mit zusehends stärkerer Betonung der Farbautonomie aus gerissenen farbigen Papieren arrangierte. Um 1962 stellte sich schliesslich eine Geometrisierung ein, die sich 1963, als Müller seine Stelle als Retuscheur bei Ringier in Zofingen aufgab und für zwei Jahre ins benachbarte Brittnau zog, in flächigen Kompositionen verfestigte.
Aus jener Zeit, die den Auftakt der bis 1976 währenden, noch heute am engsten mit dem Künstler assoziierten und von ihm selbst als konkret bezeichneten Werkphase markiert, stammt «No.67/65» (1965), ein mittelgrosses Querformat, das alle Merkmale der damaligen Produktion vereint: Mittenbetonung, symmetrischer Aufbau, Vertikalordnung und Aktivierung durch seitlich eindringende oder wegstrebende Elemente. Die Hauptqualität von Müllers Malerei, die trotz einer zuweilen fast feierlichen Strenge stets unsystematisch bleibt, ist aber die kraftvolle Handhabung der Farbe. Ihr leuchtend satter, durch Simultaneffekte weiter intensivierter Auftrag lässt die Formen vibrieren und bewirkt, dass das Verhältnis von Figur und Grund sich im unvermittelten Nebeneinander der Farbfelder ständig erneuert.
«No.13c/66» (1966) führt dieses Bildkonzept weiter und verknüpft es mit einer Art Rahmenmotiv, das um 1965 auftaucht und hier in konzentrierter Anordnung die Bildmitte besetzt. Die Fragestellung wird dadurch innerbildlich um räumliche Aspekte erweitert, bis schliesslich die an den Rand gedrängte Farbe als selbständige Erscheinung untersucht und 1970 in Zusammenarbeit mit Albert Siegenthaler auch plastisch materialisiert wird. Dass dabei selbst einfachste Setzungen komplex wirken, zeigt «No.33/68» (1968), dessen gegenläufige Farbfolgen, unterstützt durch die feinen weissen Linien, so verschieden agieren, dass die metrisch identisch angelegten Bildhälften phänomenologisch immer wieder nach Überprüfung verlangen.
Parallel zu diesen Arbeiten entsteht Ende der 1960er-Jahre eine Werkgruppe, in der sich die Farbrhythmen in übereck gestellten Quadraten entfalten. Zu ihnen gehört «No.54/67» (1967), wo sich Blau, Rot und Magenta so begegnen, dass der Eindruck eines volumenhaft ausgebildeten Viertelkreises resultiert. Die dynamische Lösung bedient sich damit noch des Kreismotivs, das um 1962 den Weg bereitet, kündet aber bereits von allem, was die künftige Recherche bestimmt und den Künstler in Zeitgenossenschaft zum amerikanischen Hard Edge als Farbforscher im Sinn von Josef Albers situiert.
Astrid Näff