Verena Loewensberg (1912, Zürich, CH – 1986, ebd.) wuchs ab 1918 in Sissach auf. Von 1927 bis 1929 belegte sie an der Gewerbeschule Basel die Fächer Weben, Sticken, Entwerfen und Farbenlehre. Anschliessend bildete sie sich bei der Weberin Martha Guggenbühl in Speicher weiter, begann in der Schule von Trudi Schoop, Zürich, eine Ausbildung im Modernen Tanz und besuchte 1935 Kurse an der Académie Moderne in Paris. 1932 heiratete sie den Gestalter Hans Coray und war hauptsächlich in den Bereichen Gebrauchsgrafik und Stoffentwurf tätig – ein Brotberuf, der ihr und den zwei Kindern nach der Scheidung 1949 den Lebensunterhalt sicherte. 1964 eröffnete Loewensberg aus Passion für die Musik, insbesondere den Jazz, das schweizweit bekannte Schallplattengeschäft City Discount, das sie bis 1970 führte. Die Musik, der Moderne Tanz und zahlreiche Auslandsreisen wirkten sich nachhaltig auf ihr Œuvre aus; es umfasst rund 500 Gemälde (Öl auf Leinwand), 60 druckgrafische Werke sowie Aquarelle, Zeichnungen und zwei Plastiken.
Verena Loewensberg wandte sich nach ersten gegenständlichen und abstrakten Experimenten auf Papier 1936 der Sprache der Geometrie zu – zunächst ausschliesslich in grafischen Werken. 1944 ging sie, sich autodidaktisch weiterbildend, zur Malerei über. Im ersten Jahrzehnt an die Bewegung Abstraction-Création angelehnt, entwickelte sich das Œuvre zunehmend eigenständig und vielstimmig weiter, stets geprägt von Loewensbergs Suche nach einer bildhaften Verbindung von Ratio und Empfindung, Systematik und Einfallsreichtum. Auf einfachen Grundformen (Vieleck, Rechteck, Dreieck und Kreis) basierend, thematisch jedoch weit gespannt (Linie zu Fläche, Figur und Grund, Symmetrie und Asymmetrie, Zentrum und Rand, Progression und Rotation), entfaltete es sich im periodischen Wechsel zwischen spielerischer Form («Ohne Titel», 1978), minimalistischer Reduktion («16 gravures», 1975), hieratischer Strenge, meditativer Introspektion und kraftvoller Expansion («Ohne Titel», 1963). Ein wesentlicher Anteil an der Formulierung kam der Farbe als psychisch-energetischer Komponente zu; neben Schwarz-Weiss und den Primärfarben verwendete Loewensberg eine reiche Palette subtil abgestufter Zwischentöne. Diese gekonnte Beherrschung der Chromatik geht mit einer zur Perfektion entwickelte Malweise einher, in der die essentielle Bedeutung des Zusammenhalts von Farbe und Form anschaulich wird – aufs Eindrücklichste im reifen Schlussakkord der zweifarbigen Vieleckformationen dargelegt.
Verena Loewensberg gehörte als einzige Frau dem inneren Kreis der sogenannten Zürcher Konkreten (Max Bill, Camille Graeser, Richard Paul Lohse) an. Trotz zahlreicher Ausstellungsbeteiligungen nahm sie als Künstlerin, auch aufgrund ihrer Wesensart und ihres Werkverständnisses, in der männlich dominierten Szene der Konkreten eine gesonderte Stellung ein. Breite Anerkennung erfuhr sie erst ab den 1970er-Jahren, als man ihr Werk gerade seiner Vielfältigkeit wegen zu schätzen begann. So war sie 1981 die erste Frau, die im Kunsthaus Zürich mit einer Einzelausstellung gewürdigt wurde. Ihr Werk befindet sich in namhaften Museen und Privatsammlungen; ihr Nachlass wurde 2014 in die Stiftung Verena Loewensberg in Zürich überführt.
Elisabeth Grossmann